Traditionelle
chinesische Medizin und Akunktur
Wissenschaftliche Darstellung
pathogener Agentien der TCM
Wind, Nässe, Kälte, Sommerhitze,
und Trockenheit sind die Agentien, die man als klimatische Einflüsse
in der Natur findet und die in der TCM als genau definierte Pathogene
einen Komplex von Symptomen wiederspiegeln. Doch ein eingefleischter
Wissenschaftler wird sicher fragen: Sind dies nur abstrakte Denkmodelle,
die einen Symptomenkomplex zusammenfassen wie bestimmte Modelle
in der Quantenphysik, oder sind hier die tatsächlichen Klimaeinflüsse
gemeint. Was soll ich mir darunter vorstellen, wenn Sie sagen,
dieses Hautekzem sei durch Hitze-Nässe der Haut verursacht
?
Um dies zu beantworten,
müssen wir zunächst zum Ursprung dieser Namensgebung
zurückgehen:
Im antiken China sah man bestimmte Krankheiten bei bestimmten
Witterungsbedingeungen gehäuft auftreten und benannte daher
den Ursprung dieser Erkrankungen nach dem klimatischen Agens.
Später erweiterte sich das Wissen und man stellte fest, daß
ein solches Krankheitsbild nicht nur durch äußere,
sondern auch durch innere Einflüsse entstehen kann. Doch
der Name blieb, ebenso, wie man noch heute im Deutschen von 'Entzündung'
und im Englischen von 'Inflammation' spricht, obwohl daran kein
Feuer beteiligt ist. Heute stellen die Namen der TCM also abstrakte
Denkmodelle dar, unter welchen bestimmte Symptome zusammengefaßt
werden. Die ursprüngliche Bedeutung ist jedoch noch immer
vorhanden: Ein Nässe-Syndrom entsteht sowohl bei feuchtem
Klima, wie auch bei Ernährungstörungen (=Milz-Nässe)
und anderen Auslösern. Wie soll man aber so etwas 'vages'
mit modernen Methoden erforschen ?
In China wird dies
heutzutage folgendermaßen gemacht: Man schaut zunächst,
mit welchen schulmedizinisch definierten Krankheiten das Syndrom
in Verbindung steht. Nehmen wir z.B. die Blutstase, die bei viel
Herz- und Gefäßkrankheiten auftritt. Man untersucht
diese Patientengruppe ein zweites Mal mit TCM-Diagnose, und wenn
ein hoher Prozentsatz eines Syndroms vorhanden ist, untersucht
man alle Parameter die diese Patienten gemeinsam haben, die aber
bei Patienten eines anderen Syndroms nicht auftreten.
So wird man z.B.
feststellen, daß sich unter Patienten mit koronaren Herzkrankheiten
ein hocher Prozentsatz an dem Blutstasesyndrom entstprechenden
finden werden. Diese wurden mit anderen vergleichen, und man stellte
fest, daß die Blutviskosität, die Blutgerinnung, Erythrozyten-verformbarkeit,
die Mikrozirkulation usw. sich hier pathologisch, also anders
verhalten. Nachdem diese gemeinsamen Faktoren in klinischen Studien
sichergestellt wurden, macht man den umgekehrten Versuch: In der
tierexperimentellen Forschung werden diese Bedingungen künstlich
wiederhergestellt, und wenn in den Versuchstieren dann nach der
künstlichen Erhöhung der Blutviskosität und der
anderen Faktoren wieder genau diese Krankheit, also z.B. koronare
Herzkrankeiten deutlich auftreten, so gilt der Zusammenhang als
gesichert. Man darf dann sagen: Auch wenn keine hundertprozentige
Übereinstimmung besteht, so ist es dennoch nachweisbar, das
eine deutliche Verbindung zwischen Blutstase und koronarer Herzkrankheit
besteht, die sich durch hämorheologische und andere Parameter
feststellen läßt. Dies darf alledings nicht dazu verleiten,
alle Patienten mit dieser schulmedizinische definierten Krankheit
dem durch die TCM definierten Syndrom zuzuordnen. Es muß
dennoch immer eine gründliche Diagnose durch beide Systeme
gemacht werden, da sich ein TCM-Syndrom oft mit einer Krankheit
überschneidet, jedoch fast nie absolut deckt. So weiß
man z.B. in der TCM, daß außer Blutstase noch 2-3
andere Syndrome in Patienten mit koronaren Herzkrankheiten auftreten.
Wenn wir diese Forschungsbedingungen
verstehen, so kann auch eine wissenschaftliche Erforschung der
TCM-Syndrome vonstatten gehen. Während die Blutstase schon
aufgrund der Namensgebung leicht zu verstehen ist (d.h. eine Verlangsamung
oder Anstauung des Blutflusses), so lassen sich die obigen Phänomene
wie Wind, Nässe, usw. gedanklich schwerer nachvollziehen.
Bleiben wir daher bei der oben erwähnten Nässe und untersuchen,
wie diese in den letzten Jahren wissenschaftlich dargestellt wurde.
Dr. Li Lian-Cheng
aus der Stadt Shijiazhuang in Hebei untersuchte im Jahr 1992 insgesamt
1005 Patienten, von welchen 10.55% nach der TCM dem Nässe-Syndrom
zugeordnet wurden. Da die Provinzhauptstadt von Hebei ein für
den Norden Chinas typisches trockenes Klima besitzt, und die betroffenen
Patienten keine deutliche Unterschiede in Geschlecht, Alter und
Beruf zeigten, kann man davon ausgehen, daß i.d.F. die Nässe
weniger durch Klima und mehr durch Temperament (Gestautes Leber-Qi
stört Milzfunktion) und Ernährung (Übermaß,
unregelmäßig, zu schnelles essen, sowie ein hoher Anteil
an Fett und Zucker) zu Nässe führten. Im feuchten Südchina
spielt das Klima bei der Nässe-Entstehung eine größere
Rolle, wie ich in meinem Artikel THE GEOMEDICINE OF TCM gezeeigt
habe. Die Symptome der Patienten dieser Untersuchung waren in
erster Linie sehr langsam entstanden und betrafen vorwiegend die
Milz und sekundär auch Lunge, die Zunge wies meist einen
dicken, kleisterartigen Belag auf, und auch die anderen typischen
Anzeichen für Nässe wie Müdigkeit und Schwäche,
dumpfes Turbangefühl, Klumpengefühl im Bauch, aufgedunsenes
Abdomen traten in den betroffenen Patienten zu 70% als Schlüsselsymptome
auf. Die in dieser Untersuchung aufgetretene Nässe gehört
zur "inneren Nässe", die nicht durch klimatische
Faktoren entstand. Doch in der TCM wird auch von "äußerer
Nässe" gesprochen. Dazu einige andere Berichte:
Ebenfalls im Jahr
1995 wurde im TCM-Krankenhaus der Provinz Hubei ein künstliches
feuchtes Klima im Großversuch erzeugt, und verschiedene
in diesem Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit lebende Versuchstiere
über einen langen Zeitraum beobachtet. Auch hier traten die
beim Menschen typischen Nässe-Symptome wie verringerter Bewegungsdrang
und herabgsetzte Motorik auch bei Nacht, verringerter Appetit,
Schwellungen der Gelenke, Beinödeme, dünner, ungeformter
Stuhl, und sogar (soweit festsellbar war ein weißer, feuchter
Zungenbelag. Dies zeigte, daß wie schon in der Theorie der
TCM indiziert, sowohl innere, wie auch äußere Umstände
zum Nässe-Syndrom führen können.
Aufgrund dieser Untersuchungen
wurde in den folgenden Jahren (1994-1996) eine genauere Analyse
dessen vorgenommen, was im Körper eines durch Nässe
afflizierten Organismus vor sich geht. Man stellte dabei fest,
daß die Nässe sich wissenschaftlich in vier verschiedenen
Bereichen untersuchen läßt, nämlich in Veränderungen
der Darmflora (Verdauuung), des Immunsystems (Abwehr), des Energiestoffwechsels
(Geistige u. körperliche Aktivität) und in der Pathomorphologie
von Lunge, Darm, Leber und Gelenken (gemeint sind hier ausnahmsweise
die anatomischen Organe, nicht die Zang-Fu Organe der TCM). Hier
die Ergebnisse im Einzelnen:
Dr. Zhang Liu-Tong
untersuchte 1995 drei Gruppen Versuchstiere die bei normaler Temperatur
und Luftfeuchte (18-25ºC/54%), bei hoher Luftfeuchte und
normaler Temperatur (18-25ºC/>90%) und bei niedriger Temperatur
und normaler Luftfeuchte (+2-2ºC/54%) aufgezogen wurden.
Während die beiden Gruppen mit normaler Luftfeuchtigkeit
unbetroffen bleiben, zeigete sich in der Gruppe der Tiere im feuchten
Klima eine deutliche Vermehrung der Colibakterien und anderer
Gruppen im Darm, was sich auch in der Ausscheidung eines ungeformten,
breiigen Stuhls manifestierte. Außerdem war die Immunreaktion
auf die pathologisch hohe Anzahl der Darmbakterien an einer deutlichen
Erhöhung des IgA-Wertes feststzustellen. Diese Ergebnisse
zeigten, das Nässe sich negativ auf Verdauung und Nahrungsabsorption
auswirkt.
In einem weiteren Versuch unter den obigen Bedingungen untersuchte
Dr. Zhang Liu-Tong die durch die Folgen für das Immunsystem,
da pathologische Vermehrung der Darmbakterien und somit deren
erhöhten Enzymabsonderung sich negativ auf die Lymphozytenprduktion
und deren Interleukinrezeptoren auswirkt. Die "Nässe"-Versuchsgruppe
zeigte auch hier i.Ggs. zu den anderen Gruppen eine deutliche
Senkung der Gesamtlymphozytenzahl und der IL-2 Aktivität.
Außerdem war eine Veränderung des Verhältnisses
der Lymphozyten-Untergruppen (B, T, NKZ, usw.) festzustellen.
Dies erklärt die erhöhte Infektionsgefahr und viele
Hautreaktionen bei Nässe.
Im Jahr 1994 hatte Dr.Zhang bereits Untersuchungen der Mitochondrien
und des Knochenzellge- webes vorgenommen. Da die Mitochondrien
eine Schlüsselrolle im Energiestoffwechsel spielen, wurde
das die Oxidation des Adenosinphosphats (ADP/O) und seine Kontrolle
(RCR), sowie des ebenfalls im Citratzyklus als Energieträger
verantwortliche Adenosintriphosphats (ATP) untersucht. Da alle
drei Parameter in der Nässe-Versuchgruppe deutlich (P<0.05)
verringert waren, ließ sich dadurch die verringerte Energie
und Aktivität der Tiere erklären.
Im Jahre 1996 untersuchte Dr. Huang Zhi-Hong schließlich
die Schäden durch Nässe am einzelnen Organ. Er hatte
konzipierte hierbei sechs Versuchsgruppen mit unterschiedlichen
Kombinationen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die zwischen
12 und 108 Tage lang beobachtet wurden. Bei den drei Gruppen mit
hoher Luftfeuchtigkeit (jeweils bei normaler, warmer und kalter
Umgebung) entstanden mit zunehmender Dauer Gelenksschwellungen,
Aktivitätsverminderung und verschiedene pathologischeVeränderungen
an Lunge, Leber und Darm. Unter dem Mikroskop waren Entzündungsreaktionen
wie chronische Arthrose (=Nässe-Bi), Lungenentzündung
starke pathologische Veränderungen des Dick- und Dünndarmarmendothels
feststzustellen. Letztere sind die Ursache für eine verminderte
Absorption bei Nässe. Besonders starke Schäden waren
auch in den Leberzellen festzustellen, die ggü. der Nässe
offenbar besonders empfindlich sind und mit teilweise großem
Gewebsuntergang und Zellveränderungen reagierten.
Diese und andere klinische und experimentelle Untersuchungen beleuchten
die pathologischen Prozesse eines TCM-Syndroms wie Nässe,
aus wissenschaftlicher Sicht, und vermögen zu erklären
wie anatomisch scheinbar nicht direkt verbundene Organe und Systeme
als Reaktion auf das gleiche pathogene Agens einen Komplex von
Symptomen erzeugen, der aufgrund jahrtausendlager Empirik in der
TCM zu einem Syndrom zusamengefaßt wurde. Die Sichtweise
der TCM ist hier also auf die Reaktion des Gesamtorganismus auf
ein Agens bezogen, und nicht wie bei uns üblich, auf den
vergrößerten Einzelausschnitt aus dem Gesamtorganismus.
Dennoch läßt sich, wie hier gezeigt wurde, auch durch
die deduktive wissenschaftliche Analyse das gleiche Bild erstellen,
sofern man die Einzelteile des Puzzles wieder zusammenlegt.
Mit freundlicher
Genehmigung von Prof. Dr. Gunther Ralph Neeb